Das Politiker ihre Wähler gerne für dumm verkaufen möchten, ist nichts neues. Und es gelingt ihnen immer wieder aufs neue, die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Aussagen, die diese dann bestensfalls auch noch glauben (sollen) zu überraschen. So geschehen jetzt in Sachsen-Anhalt. Genauer gesagt im Salzlandkreis. Denn dort - wie auch in Niedersachsen - fanden die Stichwahlen zu den Kommunal- und Landratswahlen vom 25. Mai 2014 statt.
Im besagten Salzlandkreis musste sich der bisherige Landrat Gunnar Schellenberger seinem Kontrahenten Markus Bauer (SPD) in eben dieser Stichwahl mit 52,6 zu 47,4 % geschlagen geben. Dabei hatte Schellenberger bei der ersten Wahl noch 38,9 % der Stimmen erhalten, während der neue Landrat nur 31,5 % Zustimmung erhielt.
Maue Wahlbeteiligung = undemokratische Wahl?
Das der Verlust eines liebgewordenen Pöstchens wehtun dürfte ist schon verständlich. Nicht verständlich dagegen ist - zumindest mir - wenn man seine Niederlage nicht wie ein aufrechter Politiker einräumen kann, sondern stattdessen die Stichwahlen für undemokratisch erklärt.
Schellenberger bezieht sich dabei auf die in der Tat sehr maue Wahlbeteiligung von maximal 20 - 25 %.
Doch trotzdem ist und bleibt diese Wahl demokratisch. Die Leute haben ihre Wahl treffen können und haben sie getroffen. Niemand hat ihnen - zumindest hört man davon nichts, vorgeschrieben, wen sie zu wählen hätten.
Undemokratisch ist es da eher, wenn man sagen würde, Kandidat a hat zwar nicht mehr als die Hälfte der Stimmen erhalten, aber trotzdem ist er mit 7,4 % mehr Stimmen als der Zweitplatzierter Gewinner der Wahl.
Die Schuld, das sie es in drei Wochen nicht schaffen, ihre Klientel dazu zu bewegen zur Stichwahl zu gehen, können sie nicht der Demokratie in die Schuhe schieben. Daran sind sie ganz allein Schuld. Sie sollten stattdessen lieber eine bessere, den Bürgern zu Gute kommende Politik machen. Dann besteht auch die Chance, gar nicht erst in eine Stichwahl gehen zu müssen.
Allein wegen eben jenes Verlustes des Pöstchens zu fordern, die Stichwahlen abzuschaffen ist absurd.
Lüneburger OB für Stichwahlen bei Landtagswahlen
Das Gegenbeispiel zu eben dieser Forderung ist der Sieger der Stichwahl zum Oberbürgermeisteramt in Lüneburg, Ulrich Mädge.
Nachdem er seinen Kontrahenten, Eckhard Pols, mit 71,4 zu 28,6 % der Stimmen bezwungen hat, plädiert er dafür, diese von der neuen SPD-geführten Regierung in Hannover erst wieder eingesetzte Stichwahl auch bei den Landtagswahlen Einzug halten zu lassen.
Wobei auch Ulrich Mädge die zähe Wahlbeteiligung von nur 32,7 % bemängelt.
Doch das sich die bei einer Stichwahl für den Landtag drastisch nach oben bewegen dürfte, bleibt in meinen Augen allerdings Wunschdenken.
Und wenn Herr Mädge die Wahl verloren hätte, hätte er wohl ebenso wie der CDU-Mann aus dem Salzlandkreis gefordert, die 'sinnfreien Stichwahlen' schnellstmöglich wieder abzuschaffen.
Das viele Wähler bei Stichwahlen lieber zu Hause bleiben, ist aus meiner Sicht der Tatsache geschuldet, das sie dabei nur noch die Wahl zwischen - von ihrem Standpunkt aus betrachtet - Pest und Cholera haben. Und beides holt man sich ungern heran.
Hallo Marcus,
ich muss zugeben, dass mir der tiefere Sinn der Stichwahlen auch nicht klar ist. Ok, wenn sich die Ergebnisse der ersten beiden Kandidaten nur durch Zahlen hinter dem Komma unterscheiden, würde ich es ja noch verstehen. Aber so?
Viele Grüße
Ann-Bettina
Hallo Ann-Bettina!
Stichwahlen haben den Sinn, dem dann letztlich gewählten Kandidaten eine größere Legitimation zu geben.
Wenn Kandidat A 37 % der Stimmen bekommen hat und Kandidat B z. B. 33% dann sind das jeweils 1/3 bzw. etwas mehr der abgegebenen Stimmen. Aber kann man damit einen Kandidaten als legitimen Gewinner hinstellen?
Ich denke eher nicht.
Klar, bei Ergebnissen, die sich nur in de Nachkommastelle unterscheiden, könnte der unterlegene Part das Ergebnis anfechten – was den angeblichen Gewinner der Wahl in seinem Amt schwächen könnte bzw. würde.
Aber bei Stichwahlen muss einer der beiden Kandidaten über 50 % der Stimmen kriegen. Ansonsten ist etwas faul bei der Wahl. Und wer mehr als die Hälfte der Stimmen auf sich vereinigen kann – egal nun ob von 30 oder 70 % der Wähler – darf sich als klarer Sieger der Wahl fühlen.
Über den Sinn von Stichwahlen kann man streiten, keine Frage. Aber im Falle vom „Mehr Demokratie wagen“ ist es eine richtige Entscheidung. Zweifeln kann man, ob es Sinn macht, dass die Grenze bei der ersten Wahl bei 50 Prozent liegen muss, um direkt als Bürgermeister gewählt zu sein. Wenn A 40% besitzt und die anderen Kandidaten mit Abstand von 10% dahinter liegen, könnte man getrost auf eine Stichwahl, aus meiner Sicht, verzichten!