Alle Jahre wieder, wenn der Castor ins Zwischenlager nach Gorleben gerollt ist, kommt die Zeit der Gerichte. Diese müssen sich dann mit Strafanzeigen der Behörden und der Demonstranten auseinandersetzen und zum Teil Richtungsweisende Urteile fällen.
Nun hat das Oberlandesgericht in Celle in einem Urteil die Auffassung des Amtsgericht in Lüneburg bestätigt. Dieses hatte im Juni letzten Jahres einen Mann zu einem halben Monatslohn verurteilt, da er im Internet einen Aufruf zum Schottern des Castors unterzeichnet hatte.
Die Lüneburger Staatsanwaltschaft hatte gegen etwas weniger als 2000 Kernkraftgegner Strafverfahren eingeleitet. Ein Drittel davon wurde aus den verschiedensten Gründen so eingestellt, andere Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße von 500 Euro. Unter den Betroffenen waren auch 20 Mitglieder von Bundestag und Landtagen. Zu ihnen gehörten auch die Linken-Abgeordnete Sarah Wagenknecht und vier ihrer Kollegen.
Man muss nicht selbst Schottern um verurteilt zu werden
Während Wagenknecht die Auflage akzeptierte, wehrten sich 4 ihrer Parteikollegen dagegen. Nachdem der Bundestag deren Immunität aufgehoben hatte, liefen die Verfahren über die Bühne.
In einem davon kam es dann im Juni 2012 zu dem vorgenannten Urteil des Amtsgerichts Lüneburg. Dieses wiederum soll sich an einem Urteil aus dem März 2012 orientiert haben, das einen Rollstuhlfahrer aus Tübingen zu einer Geldstrafe verurteilt hatte.
Die Richter stellten damals fest, das allein der Aufruf zum Schottern einen Straftatbestand darstellt. Zum Schottern selbst muss es gar nicht gekommen sein, um eine Verurteilung zu kassieren.
Dieses Urteil des OLG Celle wird wieder Schwung in die noch anstehenden Verfahren bringen, deren Ausgang auch von dieser Entscheidung abhängt. Mehr als zehn Verfahren sind dabei noch gegen Abgeordnete aus Landtagen und Bundestag anhängig.
Die Richter des Oberlandesgericht sahen im Schottern
eine strafbare Handlung im Sinne einer Störung öffentlicher Betriebe
da die Gleise der Deutschen Bahn dem öffentlichen Verkehr dienen, selbst wenn in manchen Zeiträumen ausschließlich der Castor über die Bahnlinie transportiert wird.
Das unterzeichnen der Aufforderung zum Schottern sehen die Celler Richter als überschreiten der Grenze von der reinen Meinungsäußerung oder straflosen Befürwortens einer Straftat zu einer strafbaren Aufforderung.
Rechtsordnung schützt Demonstranten und Eigentümer
Durch die Veröffentlichung der Aktionspläne kann nicht mehr von einem Versuch gesprochen werden, Andersdenkende innerhalb eines politischen Streites zu sensibilisieren.
Der Pressesprecher des Gerichtes bekräftigte, das es Atomkraftgegnern weiterhin unbenommen ist, andere von ihrer Meinung zu überzeugen. Desweiteren könne die Auseinandersetzung mit den Castoren weiterhin öffentlich mit kreativen oder spektakulären Aktionen begleitet werden.
Er bekräftigte aber auch, das die Rechtssprechung nicht nur die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit des einen, sondern auch das Eigentumsrecht der anderen schütze. Dabei spiele es keine Rolle, das die Unterzeichner solcher Aufrufe Gefahren für Leib und Leben von Unbeteiligten und Polizisten ausschließen wollen und sich für ein überragend wichtiges politisches Anliegen einsetzen. Letzteres würde sich laut dem Gerichtssprecher im milden Strafe widerspiegeln.
Quelle: Lüneburger Landeszeitung
Hi Marcus,
das die Justiz solche Aufrufe nicht gerne sieht, war mir schon klar, aber das dies rechtlich verboten ist, ist mir neu. Eigentlich denkt man ja, dass in Deutschland Meinungsfreiheit herrscht und man eine Demo starten kann (wenn diese angemeldet ist).
Das man nun alleine wegen eines Aufrufs abgestraft wird, finde ich schon stark. Verstehen kann ich das Urteil nicht.
Hallo Sabrina!
Das Urteil ist eigentlich logisch und somit auch nachvollziehbar!
Es geht hier ja nicht darum, das man nicht mehr zu Demonstrationen oder ähnlichem aufrufen darf. Das ist ja weiterhin völlig in Ordnung.
Was nicht erlaubt ist, das man Aufrufe unterzeichnet in denen zu strafbaren Aktionen aufgerufen wird.
Um das mal auf eine Ebene zu bringen, auf der das etwas greifbarer wird:
Nehmen wir mal an, irgendwer ruft im Internet dazu auf, gegen Politiker xy zu demonstrieren. Weil Du das gut findest, unterzeichnest Du im Netz einen entsprechenden Aufruf. Das ist legitim und bringt Dir (sicher) keinen Ärger ein.
Unterschreibst Du aber einen Aufruf, in dem nicht nur drinsteht, das man gegen Politiker xy demonstrieren will, sondern in dem auch dazu aufgefordert wird, das man sein Haus während der Demo stürmen oder ihn evtl. sogar angreifen soll, dann dürfte Dir das durchaus Ärger einbringen. Weil Körperverletzung ist eine Straftat, genauso wie das unbefugte Betreten und Zerstören fremden Eigentums.
Und nichts anderes sagt das Urteil eigentlich aus.