Niedersachsen wählen – hoffentlich

Heute ist nicht nur der Tag, an dem sich zum zehnten Male die Tragödie von New York jährt, sondern auch der Tag an dem in Niedersachsen die Kommunalwahlen stattfinden.

Sechseinhalb Millionen Bundesbürger sind somit aufgerufen, ihre Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte neu zu wählen. Teilweise werden auch Bürgermeister-Sessel neu besetzt.

Aber auch wenn diese Politischen Einrichtungen diejenigen sind, die am dichtesten am (Wahl)Bürger dran sind, ist zu befürchten das nach nur noch ca 52 % in 2006 diesesmal weniger als die Hälfte derjenigen zur Wahl geht, die wählen könn(t)en.

Gerade die Geschehnisse, die sich in den letzten 9 Monaten in Nordafrika abgespielt haben, sollten uns allen eigentlich vor Augen führen, wie es ist wenn die Demokratie quasi abgeschafft wird und man mit einer Diktatur zu kämpfen hat. Und das ist faktisch der Fall, wenn weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten Bevölkerung sich weigert ihrem Recht – und eigentlich auch ihrer Pflicht – nachzugehen, bzw. nachzukommen.

Denn das nimmt einem gewählten Rat oder Gremium die demokratische Legitimierung. Oder hält jemand ein politisches Gremium, welches von 40 % der Hälfte der eigentlich Wahlberechtigten gewählt wurde – also quasi nur von 20% aller Wahlberechtigten – wirklich für legitimiert, für alle Bürger Politik zu machen und somit Entscheidungen zu treffen, die alle angehen?

Ich nicht!

Schließlich sind die Bürger in den Nordafrikanischen Staaten ja nicht auf die Straße gegangen, weil sie die Demokratie satt hatten und haben. Sondern weil sie die Diktatur(en) in ihrem Land / ihren Ländern nicht mehr hinnehmen wollten.

Das sollten also die frischen Erinnerungen sein, die begründen, warum man wählen gehen sollte. Aber auch unsere eigene Geschichte der letzten 80 Jahre zeigt, was die Abschaffung der Demokratie bewirkt. Denn das 1000-jährige Reich gab es ja nur, weil man die Mehr-Parteien-Politik abschaffte und auch die SED hielt sich nur solange, weil sie keine Mitspieler neben sich duldete. Auch wenn sie sich vielleicht den Anstrich gegeben hat / haben sollte, demokratisch legitimiert zu sein.

Fehlen der demokratischen Legitimierung führt zur Diktatur

Und wer nicht zur Wahl geht hat in meinen Augen das Recht verwirkt, sich später zu beschweren, er als Individuum würde von der Politik nicht vertreten werden. Denn wie kann man jemanden vertreten, der sich nicht an der Wahl beteiligt hat?

Niemand erwartet – um das mal als Beispiel zu bringen, auch wenn es etwas hinkt – einen Lottogewinn zu erhalten, obwohl er überhaupt nicht mitgespielt hat, oder etwa doch?

Ich habe die Tage einen Satz gehört, dem ich nur zustimmen kann:

Wir waren neulich vom Ortsverband der CDU in Berlin-Hohenschönhausen. Wer sich etwas in der Geschichte der DDR auskennt, weiß, das dort das wichtigste Stasi-Gefängnis der ostdeutschen Republik war. Dort verschwanden alle, die den Genossen der SED ein Dorn im Auge waren. Bürgerrechtler wurden inhaftiert, Sänger und Autoren ebenso wie Personen, die ihre Flucht vorbereiteten oder bei selbiger erwischt wurden. Aber auch SED-Genossen, die sich noch einen Rest von eigenem Hirn bewahrt hatten, dürften dort auf nimmerwiedersehen eingekerkert worden sein. Schließlich war das (selbständige) Denken nicht erwünscht.

Wer dort an einer Führung teilnimmt, wird nicht von irgendwelchen Personen durch die Liegenschaften geführt, sondern von Personen die dort selbst lange Zeit ihres Lebens die Mauern von innen bewundert ‚durften‘. Sie wissen also wovon sie sprechen, wenn sie von physischen und psychischen Terror durch das SED-Regime sprechen.

Unser Referent war 1976 für 1 3/4 Jahre in Hohenschönhausen ‚Gast‘. Und das nur, weil er mit vielen anderen forderte die Ausweisung des Liedermachers Wolf Biermann rückgängig zu machen. Er gab uns zum Schluss folgenden Satz mit auf den Heimweg:

Der Deutsche kapiert es anscheinend nicht. Zwei Perioden in der jüngsten Vergangenheit scheinen nicht ausgereicht zu haben, er muss es anscheinend ein drittes Mal erleben!

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, denn wir sind, wenn es mit dem Sturzflug der Wahlbeteiligung so weiter geht, auf dem besten Wege zu einer dritten Diktatur…

Update: Ich habe mein Bürgerrecht nun wahrgenommen, und bin gespannt ob es für mich im ersten Anlauf für den Gemeinderat reichen wird!

Update II: Zwar sind wir stärkste Kraft im Gemeinderat geworden, für mich hat es aber leider nicht gereicht!

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